Siedlerkolonialismus, Völkermord und deutsche Unterstützung für Israels Vernichtung von Gaza
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung im Frankfurter Gewerkschaftshaus mit Prof. Dr. Helga Baumgarten zum Thema: „Siedlerkolonialismus, Völkermord und deutsche Unterstützung für Israels Vernichtung von Gaza“ – am Samstag, den 1. Nov. 2025
eine gemeinsame Veranstaltung von:
Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. | Islamische Religionsgemeinde Hessen
(weitere Infos demnächst)
Buchbesprechung im FriedensJournal Nr. 3 / 2025
Gazakrieg: Keine politischen Ausreden möglich
Helga Baumgarten und Norman Paech: Völkermord in Gaza.
Promedia 2025. 232 S. 14,8 x 21. brosch. Print: € 22,00
von Werner Ruf
Im ersten Teil dieses gemeinsam herausgegebenen Buches beschreibt Helga Baumgarten das siedlerkolonialistische Projekt des Zionismus (s. insbes. S. 25 – 30, auch S. 124 – 125). Baumgarten teilt die mit der Jüdischen Einwanderung beginnende Kolonisation in vier Phasen und thematisiert nicht nur die Kollaboration der Briten mit den sich bildenden zionistischen Milizen, sie schildert auch die Formen der Repression der Besatzungsmacht, die viele Scheußlichkeiten der israelischen Repressionskräfte gegenüber der palästinensischen Bevölkerung vorweg nahmen.
Die zweite Phase ist die Nakba von 1948, die große Vertreibung und teilweise Ermordung von rund 70% der palästinensischen Bevölkerung durch zionistische Milizen. Es folgt die dritte Phase, die 1967 mit dem sogenannten Sechs-Tage-Krieg begann und bis 2003 dauerte. Die vierte Phase ist der seit anderthalb Jahren andauernde Völkermord in Gaza.
Dieser wird noch einmal in all seiner Schrecklichkeit dargestellt. Menschen kommen zu Wort, palästinensische Literatur und Poesie werden präsentiert, Kinder erscheinen nicht nur als Zahlen, sie sprechen als junge Menschen voller Hoffnungen und Projekte für ein menschenwürdiges Leben. So wird dieser Krieg fassbar als das katastrophale Ereignis, das er darstellt. Seit anderthalb Jahren führt Israel diesen Krieg gegen die palästinensischen Befreiungsorganisationen und gegen die Menschen in Gaza und den übrigen besetzten Gebieten Palästinas. Und sie räumt – wie später auch Paech – mit einem der vielen Mythen in diesem Konflikt auf: Es ist eben nicht nur die hierzulande so deklarierte „islamistische Terrororganisation“ Hamas, sondern auch der Islamische Dschihad, die säkulare PLFP, Teile der Fatah, die in Gaza gegen die israelische Besatzung kämpfen.
Es ist der breit verankerte palästinensische Widerstand, der nun auch die Moral der Besatzer anzugreifen scheint, wenn immer mehr israelische Reservisten den Dienst in diesem gegen die Zivilbevölkerung geführten Krieg verweigern. Vielleicht ist die von Helga Baumgarten am Schluss ihres Beitrags geäußerte Hoffnung, die von linken Israelis formuliert wurde, gar nicht so fern, dass nämlich eine gemeinsame Zukunft ohne Zionismus und Siedlerkolonialismus in Israel/Palästina möglich ist.
Im zweiten Teil des Buches analysiert Norman Paech den Völkermord in Gaza. Bewusst beginnt er seine Untersuchung mit einem Abriss der Geschichte des zionistischen Siedlungsprojekts, denn der Gewaltakt des 17. Oktober 2023 ist letztlich Resultat einer mehr als hundertjährigen Geschichte. Ihre Analyse zeigt, dass den damals politisch Verantwortlichen klar war, dass die Realisierung des zionistischen Projekts letztlich nur durch Anwendung von Gewalt möglich sein würde.
So steht im Zentrum dieser völkerrechtlichen Untersuchung die Frage nach der Legitimität und Legalität der Anwendung von Gewalt seitens der palästinensischen Befreiungsorganisationen unter der Führung der Hamas. Paech zeigt den langen Kampf um das Recht auf Selbstbestimmung der kolonisierten Völker bis hin zur schließlich erfolgten Anerkennung des Kombattantenstatus für Kämpfer in Befreiungsorganisationen. Dies gilt ebenso für die noch immer problematische Debatte um den Begriff des Terrorismus. Parallelen etwa zur kurdischen PKK und der westsaharischen Frente Polisario werden herangezogen. Breiten Raum widmet Paech dem von Israel und seinen westlichen Verteidigern herangezogenen Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der UN-Charta in diesem Krieg.
Doch dem Völkerrecht sind inzwischen Institutionen gewachsen, deren Tätigwerden genau in diesem Fall gefordert ist: Zum Einen geht es um die Kriegsverbrechen, die Israel sowohl im Gazastreifen wie auch zunehmend in den besetzten Gebietes des Westjordanlandes begeht, wobei Paech vor allem auf die einschlägigen Bestimmungen des inzwischen (1998) geschaffenen Internationalen Strafgerichtshofs verweist, die weit über Art. 51 der Charta hinausgehen.
Doch auch die handfesten Interessen, die Israels Handeln betreffen, lässt er zum Anderen nicht aus: Die von den religiös-nationalen und z.T. offen faschistischen Siedlern geforderte Vertreibung der Palästinenser aus allen Teilen Palästinas und die Nutzung der riesigen Gasfelder vor der Küste Israels und des Gaza-Streifens werden als Gründe für die völkermörderischen Akte Israels benannt.
So ergänzen sich die beiden Teile des Buches hervorragend: Das zionistische Kolonisationsprojekt erscheint in seiner ganzen Monstrosität und Menschenfeindlichkeit. Es steht damit im Gegensatz zu einer inzwischen erfolgten Entwicklung ethischer Normen, wie sie insbesondere im Völkerrecht ihren Ausdruck gefunden haben.
Damit wird auch dem Westen ein Spiegel vorgehalten, in dem er seine Doppelmoral betrachten kann, wenn er andauernd und gezielt gegen die von ihm selbst geschaffenen Normen verstößt. Dieses Buch ist nicht nur außerordentlich informativ und hochaktuell, es befragt auch den Westen nach dem moralischen Fundament seiner Politik.