SOS Palästina – Talk mit Expert*innen in Frankfurt/M – am 4.9.25
ein Bericht von Matthias Jochheim
SOS Palästina – Talk mit Expert*innen in Frankfurt/M – am 4.9.25
Ein breites Bündnis unter Beteiligung auch der LINKEN Frankfurt lud ein zum Thema „Genozid in Gaza mit deutscher Beteiligung: Was tun?“
Das Thema gefällt der Frankfurter Stadtregierung offenbar nicht – nach ihrem Versuch, die Demonstration vom 30.8. „United4Gaza“ zu untersagen, was durch Klage vor Verwaltungsgerichten abgewehrt werden konnte, kündigte die stadtnahe „Saalbau“ nun den bestehenden Vertrag zur Nutzung des Raums im Südbahnhof kurzfristig – aus wenig überzeugenden formalen Gründen. Medico international stellte seinen Saal ersatzweise zur Verfügung, der dann mit etwa 300 Teilnehmenden prall gefüllt war. So konnte das geplante Programm wie vorgesehen umgesetzt werden.
Hier stichwortartig einige Beiträge:
Tsafrir Cohen, medico-Geschäftsführer, berichtete über die direkten Informationen, die sie von medico-unterstützten palästinensischen Partnern aus Gaza erhalten. Etwa 20% der Kinder dort sind aktuell unterernährt, über 1000 Nahrungssuchende wurden an den Ausgabestellen der US-Organisation schon von israelischen Soldaten erschossen. Die israelische Partnerorganisation von medico, die Physicians for Human Rights Israel, spricht inzwischen von Israels Völkermord in Gaza. Tsafrir Cohen sprach von der Gefahr eines zunehmenden Gewöhnungsprozesses gegenüber den grauenhaften Nachrichten aus der Region.
Hanno Hauenstein, freier Journalist mit eigenen Berichterfahrungen aus Palästina, gab seine Wahrnehmungen der deutschen Medienresonanz wieder, etwa die sehr unterschiedliche Empathie mit den Opfern der Gewalt, seien es Palästinenser oder israelisch-jüdisch – auch das ein Hinweis auf rassistische Strukturen in hiesigem öffentlichen Bewußtsein. Beispielhaft auch die Bild-Zeitung, welche ermordete Gaza-Journalisten ohne irgendwelche Belege als Hamas-Terroristen denunziert. Die deutsche Regierung blockiert auch auf EU-Ebene Sanktionen gegen den Genozid, etwa gegen das EU-Assoziierungsabkommen, welches Israel weiterhin beträchtliche Handelsvorteile gewährt.
Jamal Juma, aktiv für die palästinensische „Stop the wall-Coalition“, war per Video aus Jerusalem zugeschaltet. Er schilderte die von der Netanjahu-Regierung , offenbar mit Rückendeckung von US-Präsident Trump, betriebene „ethnische Säuberung“ in der Westbank. 75 palästinensische Gemeinden in der Area C wurden in den letzten beiden Jahren bereits gewaltsam vertrieben; Israel betreibt den Kollaps der ökonomischen Basis der Palästinenser. Die „Autonomiebehörde“, deren ökonomische Basis und damit etwa die Gehaltszahlungen der Mitarbeiter durch Israel rabiat gekürzt wurden, fungiert de facto als Kollaborateur der Besatzungsmacht. Ihre weitere Unterminierung wird den Zustand der Anarchie in der Westbank weiter voran treiben. Juma beschreibt die laufende Entwicklung als einen seit 100 Jahren betiebenen Prozeß der ethnischen Säuberung und des Genozids. Trotz der desolaten Lage sieht er aber Gründe für optimistische Erwartungen für die Zukunft:
1. Eine Zunahme der internationalen Solidarität, und ein Wandel des Bewußtseins über den Charakter des israelisch-palästinensischen Konflikts .
2. Israel in der Opferrolle hat in der internationalen Öffentlichkeit kaum noch Glaubwürdigkeit, und gerät auch ökonomisch immer tiefer in die Krise.
3. Die wesentlichen Komplizen der Okkupation , NATO, USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich sind international (etwa in der UNO) zunehmend isoliert. Jamal Juma resümiert: die Palästinenser*innen brauchen eine weitere Verstärkung der internationalen Solidarität!
Mohammed Alatar, palästinensischer Migrant und VERDI-Mitglied, schilderte zunächst die schrecklichen Verluste, die er in seiner eigenen Familie durch tödliche Gewalt der Besatzungsmacht erleben musste. Dann auch die Enttäuschungen, die er als neues Mitglied der Gewerkschaft in Hamburg erlebte, als er versuchte, dort die Solidarität der Organisation für die Palästinenser zu aktivieren. Schließlich aber auch seine Entscheidung, mit anderen Basisaktivisten die Auseinandersetzung aktiv fortzusetzen, ermutigt durch große Erfolge, die etwa in Griechenland und Italien gerade bei der Hafenarbeitern in konkreten Aktionen gegen Schiffstransporte mit Waffenlieferungen für Israel erreicht werden konnten.
Ein deutscher Gewerkschaftskollege ergänzte dies mit konkreten Schilderungen der Schwierigkeiten, die bei diesen wichtigen Aktivitäten zu bewältigen sind.
Der bundesweite Koordinierungskreis KoPI plant für den 5./6.12. in Frankfurt eine Konferenz zum Thema: „Deutschlands Verantwortung für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel“
Siehe auch vorausgegangene Pressemitteilung: